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Außergewöhnliche Umstände beim Flug: Wann muss die Fluggesellschaft keine Entschädigung zahlen?

Längst nicht bei jeder Flugunregelmäßigkeit haben Fluggäste Anspruch auf eine Ausgleichsleistung. Liegen außergewöhnliche Umstände vor, gehen Passagiere leer aus. Doch mitunter versuchen Airlines diese als Ausrede zu verwenden, um gerechtfertigte Ansprüche abzubügeln. Erfahre, welche Gründe wirklich aus außergewöhnlich gelten und welche nur vorgeschoben sind.

Das Wichtigste im Überblick

  • Sind außergewöhnliche Umstände der Grund für eine Verspätung oder Annullierung des Flugs, besteht laut Verordnung gegenüber der Airline kein Anspruch auf eine Entschädigungszahlung.
  • Außergewöhnliche Umstände stellen äußeres Einwirken dar, welches zur Verspätung des Abflugs, zur Annullierung des Flugs oder zur Umbuchung führt. Sie liegen nicht im Verantwortungsbereich der Airline.
  • Oft nutzen Flugunternehmen die außergewöhnlichen Umstände als Ausrede, um sich vor ihrer Zahlungspflicht zu drücken. Wir erklären dir, wann definitiv kein außergewöhnlicher Umstand vorliegt.

Die Europäische Union (EU) hat die Fluggastrechte klar geregelt: Kommt dein Flug mit mehr als drei Stunden Verspätung am Zielflughafen an, hast du Anspruch auf eine Entschädigung von bis zu 600 Euro. Gleiches gilt bei Annullierung oder Nichtbeförderung. Doch es gibt Ausnahmen von der Regelung, die du kennen solltest.

Was sind außergewöhnliche Umstände bei Flugverspätung oder Flugannullierung?

Liegen bei einem Flug nachweislich sogenannte außergewöhnliche Umstände vor, sind Airlines von ihrer in den Fluggastrechten definierten Pflicht befreit, eine Ausgleichszahlung gemäß EU-Fluggastrechteverordnung zu zahlen. Unabhängig vom Zweck des Flugs und ob es sich um eine Verspätung, Annullierung oder Nicht-Beförderung handelt.

Unter diese Umstände fallen im Prinzip alle Gründe für Flugunregelmäßigkeiten, die die Fluggesellschaft nicht selbst zu verantworten hat. Die also nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entsprechen. In diesem Zusammenhang wird auch gern von „höherer Gewalt“ gesprochen.

Die EU-Fluggastrechteverordnung enthält keine klare Definition darüber, wann genau ein außergewöhnlicher Umstand vorliegt. Es gibt jedoch einige unzweifelhafte Fälle. Viele weitere wurden durch die Rechtsprechung entschieden.

Beispiele für außergewöhnliche Umstände bei Flugproblemen:

  • Unwetter und andere schlechte Wetterbedingungen
  • Naturkatastrophen
  • Blitzschlag oder Vogelschlag
  • Medizinische Notfälle
  • Politische Instabilitäten inkl. Terrorgefahr
  • Sperrung des Luftraums durch das Flugverkehrsmanagement
  • Streiks in bestimmten Einzelfällen
  • Unerwartete Sicherheitsmängel

Außergewöhnliche Umstände im Detail

Im Flugbetrieb kann so einiges passieren. Entsprechend vielfältig sind die Vorkommnisse, die zu Verspätung, Annullierung oder Nicht-Beförderung führen können. Im Folgenden beleuchten wir einige der Ereignisse für außergewöhnliche Umstände und erklären, was dabei hinsichtlich der Entschädigungszahlung zu beachten ist.

Flugverspätung wegen schlechter Wetterbedingungen

Schlechtes Wetter ist einer der Hauptgründe für Verspätungen. Da die Fluggesellschaft keinen Einfluss auf das Wetter hat, besteht ihr gegenüber bei wetterbedingten Verspätungsanlässen kein Entschädigungsanspruch.

Flugausfall wegen Naturkatastrophen

Naturkatastrophen wie Erdbeben, Hochwasser oder Vulkanausbrüche sind schwer vorhersehbar und liegen selbst dann nicht im Verantwortungsbereich der Airline, wenn sie vorhergesagt werden. Spuckt also ein Vulkan Asche und entstehen dadurch Rauchwolken, die den Flugverkehr beeinträchtigen, muss die Fluggesellschaft keine Ausgleichszahlung vornehmen.

Flugverspätung wegen Blitzschlag oder Vogelschlag

Schlägt ein Blitz ins Flugzeug ein, zählt das ebenfalls als unvorhersehbares Ereignis einer nicht beeinflussbaren Wetterlage. Gleiches gilt, wenn sich ein Vogel in die Flugzeugturbine verirrt. Zwar tun Flughafen und Piloten alles dafür, einen Vogelschlag schon aus Sicherheitsgründen zu vermeiden, jedoch lassen sich Vögel weder gänzlich vom Flughafen fernhalten, noch lässt sich ihr Verhalten beeinflussen. Bei Blitzschlag und Vogelschlag können sich Airlines entsprechend auf außergewöhnliche Umstände berufen.

Flugverspätung wegen medizinischer Notfälle

Kommt es an Bord des Flugzeugs zu einem medizinischen Notfall, ist häufig eine Notlandung auf einem nahegelegenen Flughafen notwendig, was zu einer massiven Verspätung führen kann. In diesen Fällen kann von der Fluglinie zu Recht kein Schadensersatz gefordert werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob der medizinische Notfall bei einem Passagier oder einem Crew-Mitglied auftritt.

Flugausfall wegen politischer Unruhen und Instabilität

Kommt es beispielsweise infolge von Konflikten zu politischen Unruhen oder Instabilität, die den Luftverkehr beeinträchtigen, steht die Fluggesellschaft nicht in der Verantwortung. Sie muss keine Entschädigung zahlen, wenn Flüge aufgrund von politischen Gründen oder Risiken für Leib und Leben verspätet sind oder ausfallen. Das gilt zum Beispiel auch dann, wenn in einer Region kriegerische Konflikte ausbrechen, in dessen Folge der Luftraum gesperrt und der Flug annulliert wird. Entsprechende Maßnahmen der Flugsicherung können sich auf den Abflug- und/oder Zielflughafen beziehen und dienen dazu, Schaden von den Passagieren abzuwenden.

Versuchte oder geglückte Terroranschläge fallen ebenfalls in diese Kategorie. Infolge von Terroranschlägen wird oft ein ganzer Luftkorridor temporär eingeschränkt, um die Sicherheit der Fluggäste zu gewährleisten – getreu dem Motto: Safety first! Dadurch kommt es mitunter weltweit zu Flugausfällen und massiven Verspätungen, wie beispielsweise die Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA gezeigt haben. Das generell über den USA verhängte Flugverbot hat zu zahlreichen Flugannullierungen auf der ganzen Welt geführt.

Dass lokale Einschränkungen schnell zu globalen Verspätungen führen, liegt an der Organisation des Flugverkehrs an den Flughäfen. Fluggesellschaften erhalten einen sogenannten Airport Slot. Ein Zeitfenster, während dessen sie einen Flughafen zum Starten und Landen eines Flugzeugs nutzen dürfen. Diese Slots wiederum liegen dem Flugplan zugrunde. Kommt es zu Verzögerungen oder Ausfällen, wird die gesamte Planung zerstört, zumal Flugzeuge dann in der Regel nicht an den Flughäfen sind, wo sie gerade benötigt werden.

Seit dem 11. September 2001 wurden die Sicherheitskontrollen immer wieder verschärft. Je nach aktueller Sicherheitslage können diese Kontrollen jederzeit ausgedehnt werden. Ist die erhöhte Wartezeit bei der Sicherheitskontrolle unvermeidbar, ist die Fluggesellschaft prinzipiell ebenfalls nicht zur Entschädigung verpflichtet. Entschädigungspflichtige Flugsicherheitsmängel liegen nicht vor.

Flugausfall wegen Streik

Streiks sind der mit Abstand umstrittenste Anlass bei den außergewöhnlichen Umständen – schon allein deshalb, weil die verschiedenen Länder in der Europäischen Union Streiks jeweils unterschiedlich beurteilen.

In Deutschland war es bis 2018 einfach: Jede Form des Streiks galt als außergewöhnlicher Umstand – Flugpassagiere gingen leer aus. Mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) hat sich das jedoch geändert. Die Richter entschieden, dass wilde Streiks nicht in jedem Fall als außergewöhnlicher Umstand deklariert werden dürfen und gaben damit dem Kläger recht (Az.: C-195/17). Ein Streik gilt dann als „wild“, wenn keine arbeits- oder tarifliche Legitimation für die Arbeitsniederlegung vorliegt.

Wird der wilde Streik durch eine Entscheidung der Fluggesellschaft selbst ausgelöst, die zu den gewöhnlichen wirtschaftlichen Maßnahmen zählt, liegt nach höchster EU-Rechtsprechung kein außergewöhnlicher Umstand vor. Das Unternehmen muss die Folgen des Streiks selbst tragen und die Zahlung einer Erstattung bzw. Entschädigung vornehmen, wenn die Beförderung unter dem eingeschränkten Betrieb leidet. Sie muss sich auch darum kümmern, dass Betroffene einen Anschlussflug zum Zielflughafen erreichen.

Weitere Streikfälle sind noch ungeklärt. So ist beispielsweise nicht einheitlich geregelt, ob ein Streik fremden Personals wie Fluglotsen oder externer Piloten einen außergewöhnlichen Umstand darstellt. Ein Referenzurteil des EuGH fehlt außerdem bei angekündigten bzw. gewerkschaftlich organisierten Streiks des Airline-Personals.

Flugverspätung wegen Notlandung

Eine Notlandung auf dem nächsterreichbaren Flughafen kann aus verschiedenen Gründen notwendig sein. Häufig sind medizinische Notfälle Anlass für die Notlandung. In diesen Fällen besteht kein Anspruch auf eine Entschädigungszahlung für die Flugverspätung – unabhängig davon, wie groß diese ausfällt.

Liegt ein technischer Defekt vor, muss seiner Ursache auf den Grund gegangen werden. Bei unerwartet auftretenden Sicherheitsmängeln kann die Airline nicht zur Verantwortung gezogen werden. Kann der technische Grund für die Notlandung jedoch auf das Unvermögen des Luftfahrtunternehmens zurückgeführt werden, trägt dieses die Verantwortung dafür und muss seine Fluggäste gemäß der Verordnung entschädigen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn eine Wartung des Flugzeugs gar nicht, verspätet oder unzureichend durchgeführt wurde.

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Das sind keine Gründe für einen außergewöhnlichen Umstand

Es ist nicht immer ganz eindeutig, was genau ein außergewöhnlicher Umstand ist. Meist kommt es auf die Details an. So liegt nach Meinung der meisten Gerichte kein medizinischer Notfall vor, wenn sich der Flug aufgrund der Erkrankung eines Crew-Mitglieds verzögert. Auf solche Fälle muss eine Fluggesellschaft vorbereitet sein und beispielsweise durch einen Bereitschaftsdienst zeitnah Ersatzpersonal bereitstellen. Gleiches gilt, wenn die zulässige Dienstzeit der Crew oder Teile der Crew überschritten wird.

Trotzdem versuchen Airlines immer wieder Probleme in ihrem Verantwortungsbereich zu außergewöhnlichen Umständen im Flugverkehr zu erklären. Das passiert leider auch bei technischen Defekten, die in der Regel keinen außergewöhnlichen Umstand rechtfertigen, weil die Fluggesellschaft immer mit Defekten an ihren Maschinen rechnen und sich entsprechend vorbereiten muss.

Das Amtsgericht Frankfurt hat entschieden, dass die Beschädigung eines Flugzeugs durch eine Kollision mit einem Treppenfahrzeug keinen außergewöhnlichen Umstand darstellt (Az.: 30 C 3491/13). Eine Schraube auf der Landebahn hingegen, die ein Flugzeug beschädigt, kann durchaus einen solchen Umstand darstellen.

Die Beispiele und die Vorgehensweise der Airlines zeigen, dass jeweils der konkrete Einzelfall hinsichtlich des Anspruchs auf eine Entschädigung geprüft werden muss. Vor allem aber gilt: Lasse dich mit der Begründung eines außergewöhnlichen Umstandes nicht zu schnell von der Airline abspeisen. Für die häufigsten Flugprobleme gibt es mittlerweile Urteile von Gerichten wie dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Das heißt, über die Rechtsprechung wurde Klarheit geschaffen. Die Urteile gelten in der Regel auch für andere Passagiere mit dem gleichen Problem.

Gründe, die häufig fälschlicherweise als außergewöhnliche Umstände dargestellt werden:

  • Erkrankung von Crew-Mitgliedern
  • Überschreitung der Dienstzeit der Crew
  • Technische Defekte, z. B. aufgrund mangelnder Wartung
  • Kollision mit einem Fahrzeug am Flughafen
  • Vereiste Flugzeuge oder Probleme bei der Flugzeugenteisung

Deine Rechte bei außergewöhnlichen Umständen

Bei einem Flug oder Anschlussflug mit außergewöhnlichen Umständen muss das Luftfahrtunternehmen gemäß den Fluggastrechten keine Zahlung von Entschädigung vornehmen. Dennoch hat es diverse Pflichten, aus denen sich deine Rechte als Flugpassagier ergeben:

  • Du hast auch bei außergewöhnlichen Umständen Anspruch auf Betreuungsleistungen durch die Airline, zum Beispiel Verpflegung.
  • Die Airline muss eine alternative Beförderung zum Zielort organisieren. Dabei müssen auch andere Verkehrsmittel wie Bus, Bahn oder Taxi berücksichtigt werden, wenn sie den Passagier schneller an sein Ziel bringen.
  • Die Airline muss alle zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die Flugverspätung oder den Flugausfall zu vermeiden bzw. zu verkürzen.
  • Beträgt die Wartezeit auch bei außergewöhnlichen Umständen mehr als fünf Stunden, darfst du den Flug stornieren und von der Fluglinie die Rückzahlung des Ticketpreises verlangen.

Airline muss alles Zumutbare unternehmen, um Flugverspätung klein zu halten

Im Zweifel muss das Beförderungsunternehmen vor Gericht nachweisen können, dass es alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um die Flugverspätung so gering wie möglich zu halten. Hierzu gehört das Bereithalten von Ersatzflugzeugen oder Anfragen von Subchartern. Erst wenn all diese Maßnahmen ergriffen wurden, entfällt die Entschädigungspflicht.

In jedem Fall muss sich eine Fluggesellschaft bei Verzögerungen oder Flugausfällen um ihre Passagiere kümmern. Diese kostenlose Betreuung umfasst – je nach Dauer der Störung und Länge der Flugstrecke – die Bereitstellung von Snacks, Mahlzeiten und Getränken. Außerdem müssen Möglichkeiten zur Kommunikation per E-Mail, Fax oder Telefon. Auch Transfers und Hotelübernachtungen muss das Flugunternehmen gegebenenfalls organisieren, zum Beispiel wenn am Zielflughafen ein Nachtflugverbot herrscht und dieser nun aufgrund der Verspätung nicht mehr angeflogen werden kann. Die Kosten für den Transport und die Hotelunterbringung sind von der Airline zu tragen.

Hinweis

Zu den außergewöhnlichen Umständen existieren aktuell zwei rankende, miteinander konkurrierende Seiten bei EUflight:

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